Unterrichtsprojekt von Silke Egeler-Wittmann

Warm-ups

mehr

Workshop Illés

mehr

Workshop Rihm

mehr

Reflexion

mehr

Methodische Vorgehensweise & Gliederung des Projektablaufs

Die Klasse 8a des Karlsruher Bismarck-Gymnasiums war mit dem Klassenmusizieren und musikpraktischen Herangehensweisen sehr gut vertraut, hatte aber kaum Erfahrung mit neuer Musik, was sicher eher der Regelfall ist.

Daher werden für die beiden Stücke jeweils unterschiedliche Herangehensweisen gewählt, die sich quasi spiralförmig auf die (aus der Sicht eines ungeübten Hörers) höchst anspruchsvoll zu hörende Musik zu bewegen:

  • Márton Illés´ Stück "Manische Linien" wird erst am Ende zum ersten Mal gehört - nach der Beschäftigung mit verschiedenen inhaltlichen und strukturellen Aspekten des Stückes sowie einer ausführlichen Gruppenkompositions- und Gruppenmusizier-Phase.
  • Das Hören von Wolfgang Rihms "Chiffre III" wird dann, ausgehend von einer nun wesentlich erweiterten Erfahrung mit zeitgenössischen Klängen, an den Anfang gestellt. So werden im ersten Teil die Voraussetzungen geschaffen für den Einstieg in das strukturelle Durchdringen und Verstehen Neuer Musik und für die spätere Beschäftigung mit Rihms Stück sowie mit zeitgenössischer Musik insgesamt.

Einstieg in die musikalische Arbeit

Als Einführung in das Thema Neue Musik und in die musikalische Arbeit allgemein dienen verschiedene bewährte musikalische Spiele und Warming ups, die in den Abenteuer Neue Musik-Folgen Markus Hechtle | screen (Kapitel "Erarbeiten/Warm-up") und Saed Haddad | Deux Visages (Kapitel "Kennen lernen und Warm-ups") beschrieben sind. Diese Konzepte lassen sich auch auf viele andere Unterrichtssituationen übertragen und als Einstiege nutzen.

Das Klassenmusizieren (hier zum einen mit einem Klassensatz an Blockflöten und zum anderen mit außergewöhnlich vielen Streichinstrumenten, was ein positives Ergebnis der an der Schule durchgeführten Streicherklassen in der Orientierungsstufe ist) und die kompositorische Gestaltungsarbeit in Gruppen werden mit speziellen Übungen vorbereitet.

Es geht dabei vor allem darum, ansatzweise die Spieltechniken etwas zu erweitern, um ein größeres Repertoire an Klangmöglichkeiten zur Verfügung zu haben. Dabei wird von Beginn an bewusst keine taxierende sondern lediglich eine qualitative Unterscheidung von Klängen und Geräuschen vorgenommen. So wird dann auch direkt während der ersten in Gruppen zu bearbeitenden Gestaltungsaufgabe "Mäppchenmusik" vorgegangen.

Mit der "Mäppchenmusik" bekommen die Schülerinnen und Schüler eine erste kompositorische Gestaltungsaufgabe, die sie in Gruppen bearbeiten. Über das Experimentieren mit Alltagsgegenständen als Musikinstrumente wird ihre Kreativität nicht nur hinsichtlich der Klangfindung, sondern besonders auch bezüglich der formalen Organisation ihrer Ideen gefördert. 

Auf den Einführungsblock folgt die Beschäftigung mit dem Thema "Linien". Dies geschieht auf mehreren Wegen:

  • 1. Verbalisierung: In einem Unterrichtsgespräch wird auf bereits vorhandenes Wissen und die persönliche Erfahrung zum Thema eingegangen.
  • 2. Visualisierung:
    • Gemeinsame Betrachtung von Linien-Bildern aus dem Alltag (z.B. Schaltkreise, U-Bahn-Liniennetze) und Anfertigung eigener Linien-Bilder in kleinen Gruppen mit anschließender Präsentation in einer Art Vernissage.
    • Linien-Verläufe werden in eine Bewegungs-Choreografie mit der ganzen Gruppe umgesetzt.
  • 3. Akustische Übertragung:
    • Linienverläufe werden gemeinsam als musikalische Linien mit Instrumenten gespielt (Leitung und Lenkung durch DirigentIn/ LehrerIn)
    • Linien-Bilder werden als Partitur musikalisch-instrumental übertragen.

Um sich nun dem Stück von Márton Illés klangästhetisch stärker anzunähern, werden unter Anleitung einzelne Klang-Gesten und Klang-Effekte der Komposition mit der ganzen Gruppe ausprobiert. Hierbei kommen später auch die Blockflöten zum Einsatz, damit einerseits der homogene Klang gleicher Instrumente (wie bei Illés´ 6 Klarinetten) ansatzweise erfahrbar wird und weil sich natürlich 20 bis 25 C-Flöten bestens für das Ausprobieren extremer Klangphänomene (hohe, schrille – «manische» Klänge) eignen, wie sie einem stellenweise in den "Manischen Linien" begegnen. Hierbei lässt sich auch ansatzweise die Rolle des Klaviers als klanglicher und formaler Außenseiter improvisatorisch erproben.

Anhand eines sehr markanten Partitur-Ausschnittes (Arbeitsblatt) kommen die SchülerInnen nun erstmals in Kontakt mit dem Originalstück und können Illés´ Linienverläufe mit ihren bisherigen Erfahrungen und den eigenen Linien-Partituren vergleichen.

Jetzt erst wird das Stück komplett gehört. Im anschließenden Unterrichtsgespräch wird neben dem Austausch der Hör-Erfahrung der Titel thematisiert, der Begriff "Manie" näher erläutert und in Bezug zum Stück gesetzt.

Den Abschluss bildet eine Überarbeitung der Linien-Kompositionen. Dabei werden die ursprünglich vier Gruppen zu zweien zusammengefasst und mit jeweils einem Tasteninstrument kombiniert. Die Stücke werden dabei um den geräuschhaften Anteil (bei Illés besonders zu Beginn und am Ende des Stückes zu hören) sowie um die spezielle Rolle des Klaviers ergänzt. Die neu entstandene erweiterte Partitur wird nun für eine abschließende Präsentation geprobt.

Vor dem Hören setzen sich die SchülerInnen anhand einer Mind-Map assoziativ mit dem Begriff «Chiffren» auseinander. Unterstützend werden hierzu verschiedene Beispiele für spezielle Zeichen und Symbole im Alltag betrachtet (z.B. Icons, Apps, Graffiti-Tags). Dabei wird erarbeitet, welche Eigenschaften ein gut funktionierendes Zeichen besitzen muss (z.B. Prägnanz, Signalwirkung). Überlegt wird auch, welche spezielle Funktion chiffrierte Zeichen bzw. Chiffren haben.

Wolfgang Rihms «Chiffre III» wird nun, versehen mit einem Hörauftrag auf einem Arbeitsblatt, möglichst ganz angehört. Bei einer Dauer von 9 Minuten ist das keine einfache Aufgabe, daher kann die Bearbeitung des schriftlichen Auftrags unterstützend sein. Unter Umständen ist es durchaus möglich, das Stück nur bis etwa zur Hälfte anzuhören.

Anschließend erfolgt im Unterrichtsgespräch ein Austausch über die individuellen Hörerfahrungen sowie über Rihms musikalische Chiffren (siehe auch Arbeitsblatt).

Der nächste Kompositionsauftrag wird mit dem Spielkonzept «Klänge-Alphabet» vorbereitet. Dieses Konzept ist sehr reizvoll, da es zum vokalen Experimentieren anregt und sich zugleich für die Ausarbeitung kleiner Kompositionen eignet. Es erfordert allerdings auch Zeit, bis das Klang-Alphabet mit allen SchülerInnen komplett durchprobiert ist. Es ist auch möglich, direkt mit der anschließenden Kompositionsaufgabe zu beginnen.

Die Gruppen (möglicht nicht mehr als 4 bis 5 SpielerInnen) sollen jeweils eine möglichst nicht zu lange musikalische Chiffre entwickeln, notieren und sicher einstudieren. Anschließend werden die Chiffren präsentiert und besprochen sowie jeweils mehrere Variationen hinsichtlich des Tempos und der Dynamik ausprobiert. Am Ende sollte jede Gruppe mindestens zwei Versionen sicher spielen können.

Ziel ist es, aus den einzelnen Chiffren ein gemeinsames Stück mit der ganzen Klasse zu gestalten. Dies kann zunächst spontan beim Dirigieren entstehen, wobei Überlappungen, simultanes Spiel, Beschleunigung, Verlangsamung, Steigerung, Reihung ausprobiert werden sollten. Man sollte einige Versionen des Stückes durch den Wechsel der DirigentInnen  entstehen lassen. Nun kann man eine gemeinsame Version diskutieren, festlegen und schriftlich fixieren.

Organisatorisches

Zeitliche Strukturierung:
Ideal ist die Projektarbeit in etwa drei bis vier Zeitblöcken von 4 bis 5 Schulstunden (denkbar beispielsweise in einer Projektwoche). Eine Durchführung im regulären Musikunterricht ist in etwas reduzierter Form ebenfalls möglich, wobei man den beim Klassenmusizieren üblichen organisatorischen und zeitintensiven Aufwand berücksichtigen muss. Insgesamt wird sich das Projekt über etwa 12 bis 16 Schulstunden erstrecken.

Instrumente und Platzbedarf:
Vorteilhaft wäre ein möglichst umfangreiches Instrumentarium, um jeden Schüler mit einem Instrument ausstatten zu können (wohl wissend, dass die Realität in den Instrumentensammlungen der Schulen oft nicht sehr befriedigend ist). Natürlich ist es für die Umsetzung der eigenen Ideen leichter, wenn einige SchülerInnen bereits über instrumentale Grundtechniken verfügen. Eine Durchführung des Projektes ist aber auch mit einfachen Instrumentalkenntnissen möglich. Notfalls kann man sich auf den Einsatz der Blockflöten, einiger Schlaginstrumente und Klavier oder Keyboard(s) beschränken. Besonders für Illès‘ Stück "Manische Linien" ist es wichtig, Instrumente einzusetzen, die konstante Dauertöne erzeugen können (z.B. Melodikas, Blockflöten, Keyboards, Streich- und Blasinstrumente).

Für die Bewegungschoreographie und die Gruppenarbeiten sollte man einen ausreichend Platz bietenden Raum zur Verfügung haben.

Gefördert von: