"Versatzstücke" für Klavier und Live-Elektronik ist ein fünfsätziger Zyklus mit einem kurzen Vorspiel, entstanden 2004. Mit Ausnahme des vierten Satzes liegt allen Sätzen das gleiche Herstellungsverfahren zugrunde: Eine kurze, im Inneren des Klaviers gespielte Sequenz wird mit dem Computer aufgenommen. Diese Aufnahme, die je nach Satz zwischen 2 und 10 Sekunden dauert, wird in über 100 Varianten zeitlich gedehnt und transponiert und in einem quasi-kanonischen Verfahren überlagert, sodass sich größere Gebilde ergeben.
Finnedahl folgt dabei einem bestimmten Plan, einer grafischen Vorlage, die signalisiert, wann welcher Klang in welcher Form erscheint. Diese Grafik wiederum hat Finnendahl nach rekursiven Prinzipien, sprich: in der Art eines Fraktals, realisiert. Sie ist für alle Sätze, wieder mit Ausnahme des vierten Satzes, identisch. Obschon sich die Sätze dem Klangergebnis nach grundlegend voneinander unterscheiden, liegt ihnen der gleiche Formplan zugrunde. Finnendahl spricht von einem "Widerspruch zwischen der völligen Identität der Formanlagen sämtlicher Sätze und dem deutlichen Kontrast ihrer akustischen Oberflächen".
Den Versatzstücken liegt ein erzählerisches Modell zugrunde: die Geschichte eines Abschieds oder eines Verschwindens, die auf verschiedenen Ebenen musikalisch manifest wird.
Im ersten Satz besteht die Eröffnungssequenz noch aus fünfzehn Ereignisse, im zweiten Satz noch aus drei (hoher, ausgehaltener gezupfter Ton, tieferer kurzer Ton und ein geräuschhafter Schlag), am Anfang des dritten Satz steht ein einziges Ereignis. Das Verschwinden betrifft aber auch die Rolle des Pianisten. In den ersten Sätzen haben Klavier und Tonband noch gleichberechtigt am Klangbild teil. In "Versatzstücke 3" exponiert der Pianist dann nur noch den Eingangsklang, ein vernebeltes Flageolett, der dann vom Tonband alleine durchgeführt wird. Aus diesem Zyklus fällt Versatzstücke 4 als wuchtige Klavierkadenz, mit der sich der Pianist in einem athletischen Solo ein letztes Mal aufbäumt, heraus.
Dieser Satz folgt nicht nur einem eigenen Formmodell. Ihm liegt auch ein diatonisch fassbares Motiv zugrunde: eine Quinte abwärts, ein Tritonus aufwärts. Finnendahl vergleicht die Textur des Satzes mit einem gewebten Stoff, bei dem sich die Fäden umeinander legen und gelegentliche Webfehler die Regelmäßigkeit des Stoffes aufrauen. Was im ersten Satz als beredter Diskurs begann, verliert sich schließlich im fünften und letzten Satz, einer verwegenen und poetischen Studie über das Rauschen: hier endlich wird Musik reine Philosophie, wird Klang zur Antwort auf Fragen der Eschatologie und der Metaphysik.