Rückschauend hat sich gezeigt, dass sich Steen-Andersens Stück Run Time Error in besonderer Weise eignet, um Kinder und Jugendliche mit der klanglichen Ästhetik und der Herangehensweise experimenteller Neuer Musik vertraut zu machen. Gerade durch die visuelle Aufbereitung fällt es den Schülern leichter, sich auf die ungewohnte Klangwelt Neuer Musik einzulassen – sie sehen einen Künstler, der offenbar sehr gerne mit den Gegenständen in einem Raum spielt, ihnen Klänge entlockt und sie dabei ganz frech zweckentfremdet, um sie für die eigene kompositorische Idee nutzbar zu machen.
Das ist Schülern vertraut: Wenn sich Kinder in einem Klassenraum außerhalb des Unterrichts aufhalten, kann man sie häufig dabei beobachten, wie sie alles Mögliche untersuchen und auf seine Klanglichkeit testen – seltsame, möglichst nervige Geräusche sind dann oft die attraktivsten. Oft werden sie dafür gemaßregelt, in diesem Projekt wird aber genau das in den Mittelpunkt gestellt, hier sollen sie forschen, untersuchen, spielen, experimentieren. Eine wichtige Erkenntnis dabei ist jedoch, dass es zielgerichtet erfolgt, dass eine klare Struktur entsteht, die bestimmten Regeln folgt.
Hieran wird auch die Qualität dessen gemessen, was die Schüler erarbeiten: Sie erkennen, dass ihr Parcours dann am interessantesten wird, wenn er einer inneren Logik folgt und dass der dramaturgisch festgelegte Ablauf ausreichend geprobt werden muss, um am Ende zu überzeugen. Als besonders spannend empfand ich die Diskussionen unter den Schülern, wenn es darum ging, die Regel Nummer 3 umzusetzen («Jeder Klang und jede Aktion muss einen unmittelbaren Bezug zum/zur vorangegangenen bzw. nachfolgenden Klang/Aktion haben.»), dies stellte sie immer wieder vor Probleme, bei deren Lösungsfindung spannende kreative Prozesse in Gang gebracht wurden.
Zum Beispiel hatte eine Gruppe sehr schöne Ideen zum Einsatz von Zeitungspapier entwickelt: Es diente als Laufbahn und dann als Sperre (Zeitungen wurden aneinandergeklebt und zwischen den Wänden eines Flurs angebracht, die von einem Spieler durchbrochen werden musste). Im Anschluss wollte man einen Fußball bis zu einer neuen Station (dies waren Eimer, die eine Treppe hinab gekickt werden) hin und her kicken. Die Frage stellte sich nun also, wie man die Zeitungen mit dem nachfolgenden Ballspiel in Bezug setzen könnte. Die Lösung war dann ein Kartenspiel (Zeitung – Papier – Karten), dessen Spielkarten von zwei Spielern abwechselnd auf den Weg geworfen wurden (Spiel – zwei Kartenspieler – zwei Fußballspieler werfen/ kicken abwechselnd).
Beim abschließenden erneuten Betrachten von Steen-Andersens Run Time Error wurde so noch einmal bewusst, wie minutiös der Komponist plant, um die eigentlich chaotisch wirkenden Klangereignisse zu strukturieren und wie er so zu einem Ergebnis von hoher künstlerischer Qualität kommt.