Reflexionen

Reflexion der Lehrkraft

Es war ein tolles Projekt für die Schüler:innen, in dem sie viele Erlebnisse und Ereignisse wahrgenommen haben: Eigene sinnhaft erlebte Aktivität, Erfahrungen von Identität und emotional wie auch körperlich wohltuend erlebte Gemeinschaft hatten einen äußerst positiven Nachhall. Nach dem Projekttag konnte man den Schüler:innen anmerken, wie wichtig diese gemeinsame Arbeit für sie als Klassengemeinschaft war und wie stolz sie darauf sind.

Meine wichtigste Erkenntnis als Musiklehrerin und Pädagogin war, wie bedeutend das Ermöglichen von Musizierprozessen ist: Dazu zählt unter anderem das Erschaffen von für die Klasse optimalen Arbeitsbedingungen, die zielführend sind, aber auch die Toleranz für unerwartete Störungen, die den Schulalltag prägen.

Der zeitliche Rahmen des Projekts sowie die Vorbereitungsschritte können natürlich anders gestaltet und durchgeführt werden, auch die methodischen und didaktischen Schritte sind vielfältig.

Das Teamteaching (Musik – Deutsch oder Musik – Kunst – Deutsch) ist absolut empfehlenswert: An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Kollegen Thomas Blatter für die Unterstützung bedanken, der die Klasse in Kunst unterrichtete. Für die Herstellung der Spielkarten war diese spontan entstandene Kooperation gewinnbringend.

Ob die Arbeit im Doppelstunden-Modell effektiver wäre, ist sehr von der Klasse und auch von der Verortung der Musikstunden im Tagesrhythmus abhängig. Ich empfand sowohl die Klassenstufe wie auch Einzelstunden in unserem Fall passend, jedoch musste ich zusätzlich drei Doppelstunden einberaumen, damit die Schüler:innen mehr Zeit für die Reflexion eigener Spiele bekamen.

Trotz vieler gelungener Bausteine waren auch weniger erfreuliche dabei: Aufgrund sehr kurzatmiger Einzelstunden waren die Schüler:innen nicht immer bereit, sich die Zeit für die Reflexion zu nehmen. Die zusätzlichen Doppelstunden waren in unserem Fall absolut notwendig. Der Aufwand wurde für mich somit gerechtfertigt, da bei den Schüler:innen der Wunsch nach Optimierung immer da war. Gelegentlich waren aber auch die Schüler:innen kurzatmig und haben sich nur Singstunden oder Musizieren mit den Instrumenten gewünscht.

Die Aufnahme des Stückes mit den Neuen Vocalsolisten hat die Schüleri:innen sehr beeindruckt: Die Spontaneität und Spielfreudigkeit der Profisänger:innen, die sich in den Augen der Schüler:innen wie Kinder mithilfe ihrer Geheimsprache miteinander unterhielten, hat sie gefesselt und motiviert.

Zu den von den Schüler:innen konzipierten Spielen lässt sich zusammenfassend sagen, dass jede Gruppe deutlich mehr Spaß am Spielen hatte, am Improvisieren, an Irritationen, die beim Spiel spontan entstanden sind, als das Stück als Ganzes zu "üben" und dabei ein klares Ende im Auge zu behalten. Offensichtlich hat das zeitvergessene, zielvergessene und auch manchmal didaktikvergessene Musizieren, wovon Peter Röbke spricht, die Schüler:innen mehr fasziniert als der Gedanke, das Spiel zum Ende zu führen.

In Bezug auf das Stück "Your turn" ist der Prozess an sich vom scheinbar selbstverständlichen Begriff "Musizieren" nicht mehr getrennt zu denken. Der Begriff des "Musizierens" bekommt somit inhaltlich und methodisch gesehen neue Facetten. Zum einen könnte er durch das "Agieren" ersetzt werden, da aber die performativen Elemente des Spiels eine musikalische Dimension besitzen, ist die Verwendung des Begriffs "Musizieren" angemessen. Zum anderen wird das Musizieren als Methode zum Erreichen eines bestimmten Unterrichtsziels sowie zum Erreichen einer bestimmten Prozessqualität im Unterricht verstanden.

Je nach Projektphase war das Musizieren selbst auch das angestrebte Lernziel. Wie verhält sich der Prozess zum Ergebnis? Diese Frage werden alle Projektteilnehmer:innen sowie viele Pädagog:innen immer wieder neu stellen und reflektieren.

Abschließend lässt sich sagen, dass der Projektvormittag erfolgreich und spannend verlief. Die Anwesenheit der Komponistin Huihui Cheng, der Musikwissenschaftlerin Lydia Jeschke wie auch des professionellen Filmteams schaffte eine unglaubliche künstlerische Atmosphäre. Die Frage ist nun, ob die Auseinandersetzung mit dem Stück die gleiche Spur hinterlassen hätte, hätte die Mittelstufenklasse es in einem angemessenen Rahmen in der Schule ohne Filmteam und ohne die anderen Personen aufgeführt? Welche Aufführungsbedingungen wären überhaupt angemessen oder sogar nötig? Hätten die Schüler:innen mit der gleichen Intensität geübt und hätten sich getraut, das Stück vor dem Publikum aufzuführen? Doch wenn man die positive Wirkung der Gruppenarbeit registriert und den Spaßfaktor wahrnimmt, ist man sofort von den Ergebnissen der künstlerischen facettenreichen Arbeit der Schüler:innen überzeugt und möchte sie würdig präsentieren lassen.

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