Ein Bruch ist infolge dieses Wechsels keineswegs erkennbar, er wirkt eher wie eine Weiterführung. In den Takten 16 bis 27 bezieht der Komponist sein Material zunächst aus dem maqām Hijaz [vergleiche Beispiel 3], einem der gebräuchlichsten maqāmāt der arabischen Musik, sowie aus dem maqām Hijaz Kar [vergleiche Beispiel 4], der sich vor allem dadurch auszeichnet, dass hier keine dreivierteltönigen Intervalle vorkommen.
Nach der auch formal durch einen Doppelstrich gesetzten Zäsur in Takt 27, beginnt der zweite Abschnitt dieses Satzes "Intimo molto" im Pianissimo. Es folgt eine zweiteilige Melodie im maqām Saba auf g [vergleiche Beispiel 5], dessen dreitaktiges Frage-und-Antwort-Spiel jeweils mit der gleichen melodischen Formel schließt.
Die Weiterführung dieser Melodie ist im Unterschied zum ersten Teil nicht mehr eindeutig bestimmten maqāmāt zuzuordnen, sondern wechselt den Tonvorrat nahezu halbtaktweise. Manche Intervallkonstellationen könnten aus verschiedenen maqāmāt in verschiedensten Transpositionen entstammen. Wie im ersten Teil dieses Satzes intensiviert sich auch diese Weiterführung in konsequent gesteigerter Mehrstimmigkeit bis hin zu drei- und vierstimmigen Akkorden. Anders als zu Beginn des Satzes aber, wird das organische Weiterspinnen der lyrischen Melodik hier mehrfach beeinträchtigt, etwa durch geräuschhafte, «ruppige» mehrstimmige Akkorde. Der Satz schließt mit einem raschen Wechsel eines "molto sul tasto“ trillernden c/ces und einem "molto sul ponticelllo" und "as harsh as possible", mit aller Kraft und Schwere zu spielendem cis/d, einer Schlusswendung, die – mit Abweichungen – allen fünf Sätzen gemeinsam ist.
Festzuhalten bleibt, dass sich im ersten Teil dieses ersten Satzes von Les Deux Visages de l’Orient (T. 1 bis 27) der Tonvorrat nachweislich aus verschiedenen maqāmāt nährt, die jeweils gut als solche identifizierbar sind. Der zweite Teil (T. 28 bis Ende) zeigt zwar auch solche Anleihen, gestaltet sein Material jedoch in einer deutlich freieren Art und Weise, so dass er am Ende die arabischen Grundmuster und damit auch die entsprechenden Traditionen hinter sich zu lassen scheint. Auf die Frage, welches das "richtige" und welches das "falsche" Gesicht des Orients sei, entgegnet Haddad, dass man nicht in diese Richtung fragen solle. Vielmehr könnte man schlussfolgern, dass das Bild, das aufgrund des ersten Satz-Teils vom Wesen des Stückes entstanden ist, im zweiten Teil zwar unverkennbar wieder anklingt, wie in einer Variante des ersten aber schon nicht mehr stimmt und damit in Frage gestellt wird.
Dies weist hin auf eine mögliche Gesamtaussage des Stückes, in der Gedanken von Edward Said zusammenfließen mit denen Levinas’ und Derridas über die "Inpflichtnahme durch den ‚Anderen’":
Will man dem jeweils Anderen gerecht werden und ihn begreifen, muss man sich mit ihm vorbehaltlos und in allen seinen Facetten befassen. Das angebliche Wissen über den Anderen gerät auf den Prüfstand. In diesem Sinne muss auch bei Haddad nicht alles arabisch sein, was vordergründig arabisch klingt. Der konstruktivistische Fibonacci-Bauplan des Rhythmus etwa oder das geräuschhafte Akkordspiel der Geige im zweiten Satz-Teil verweisen eher auf Techniken neuer westlicher Kunstmusik (zu den Kennzeichen arabischer Musik vergl. das Arbeitsblatt Arabische Musik - Einführung). Und auch in der Nutzung der maqāmāt versucht Haddad eine«„balancierte existentielle Synthese zwischen den arabischen und westlichen Kulturen» zu erreichen und dabei Kategorien wie Exotismus und Postmodernismus zu überwinden.
Das Les Deux Visages de l’Orient zu Grunde liegende Prinzip der Dualität ließe sich damit im ersten Satz auf verschiedenen Ebenen der Komposition weiter verfolgen. Und im Rahmen dieser Vielschichtigkeit des Werkes findet sich offensichtlich auch Gegensätzliches vereint. Die Dualität, um die es Haddad in Les Deux Visages de l’Orient geht, erschöpft sich also nicht in plakativen musikalischen Kontrasten. Vielmehr findet man hier den musikalischen Ausdruck eines auf einer höheren, Haddad würde vielleicht sagen transzendenten Ebene angesiedelten grundlegenden Prinzips, zu dem Vielfalt und Gegensätze ebenso gehören, wie tiefgehende Beschäftigung und einfühlendes Verstehen zu dessen Erkenntnis erforderlich sind.