Unterrichtsprojekt von Silke Egeler-Wittmann

Übungen und Konzepte

vokal

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Übungen und Konzepte

instrumental

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"Flowers of Carnage" am Leininger-Gymnasium Grünstadt

Das Musiktheaterstück "Flowers of Carnage" beschäftigt sich zum einen mit dem zwiespältigen Verhältnis zu medialen Darstellungsformen ostasiatischer Kampfkunst und versucht zum anderen, Jugendlichen (in diesem Fall 25 Schülerinnen und Schülern der AG-Neue Musik des Leininger-Gymnasiums Grünstadt) eine Annäherung und kreative Auseinandersetzung mit Kung Fu zu ermöglichen. Dabei spielt deren unmittelbare praktische, körperliche und seelische Erfahrung in der musikalischen Transformation dieser chinesischen Kampfkunst und ihrer Darstellungsformen eine wichtige Rolle.

Annesley Black hat kurze Klangbeispiele aus einer breiten Auswahl von Martial-Arts-Filmen entnommen wie etwa Schreien, Ächzen, Stöhnen, Röcheln, die Atemgeräusche und der Herzschlag der Kämpfenden, das Flitzen und Geklirr ihrer Schwerter und Peitschen, brutale Kampfgeräusche wie spritzendes Blut und dumpfe Schläge. Die oft nur wenige Sekunden langen Soundtrack-Ausschnitte hat sie akribisch untersucht und nach melodischen, rhythmischen, formalen und dynamischen Gesichtspunkten geordnet. Sie dienten als Grundlage für die eigene kompositorische Arbeit von SchülerInnen: Nach bestimmten Vorgaben der kanadischen Komponistin entwickelten sie aus diesem Material kurze vokale und instrumentale Stücke, die dann wiederum von der Komponistin weiter bearbeitet und ergänzt wurden, bis daraus ein etwa 50 Minuten dauerndes Musiktheaterstück entstand.

Das so gewonnene Klangmaterial wurde mit neuen Choreographien (Evelin Stadler) konfrontiert, die auf der Basis des hoch stilisierten Bewegungsrepertoires von Kung Fu entwickelt wurden. Dieses Bewegungsrepertoire hatten die Jugendlichen in Trainingseinheiten bei einem Kung Fu Meister kennengelernt. Im Zusammenspiel steuern die Bewegungen der neu entwickelten Choreographie die den Filmen entnommenen und bearbeiteten Klänge mittels Bewegungssensoren (z.B. mit einem präparierten Wii-Stick) oder durch Reagieren auf die Mitspielerinnen und Mitspieler. Zuweilen steuern auch die Klänge die Bewegungen. Es entsteht ein Wechselspiel aus Gegenwehr, Zurückhaltung und Angriff.

Die Mitwirkenden sind während des Arbeitsprozesses mit den Grenzen und Möglichkeiten ihres eigenen Körpers konfrontiert worden. Mit ihrer Aufführung feiern sie die fintenreichen, raffinierten Kampfkünstler, ihre physische, spirituelle und moralische Disziplin. Gleichzeitig setzen sie sich durch ihre extrem stilisierte musikalische Bearbeitung von Martial-Arts-Soundclips auf ungewöhnliche Weise mit dem Thema Gewalt und Brutalität auseinander. 

Workshop Einführung

Es gibt vier wesentliche Elemente in Flowers of Carnage, die einzeln oder auch in Kombination erscheinen: Stimme, Instrument, Bewegung, Elektronik. Ausgehend von dem beschriebenen Material wurden 28 einzelne Szenen entwickelt, aus denen sich das Stück zusammensetzt. Das Ensemble wechselt mehrfach zwischen den zwei Haupt-Positionen Bühnenfläche und Instrumentalensemble. Ein oder mehrere Solisten bewegen sich zu den Klängen des Instrumentalensembles oder sie steuern umgekehrt die Musik der Instrumentalisten.

Vier Szenen werden von vier MP3-Solisten mit vokalen Klängen gestaltet, sie sind um das Publikum herum positioniert. Elektronische Klänge hört man im Vorspann, der zugleich als akustische Begleitung für eine Warm-up-Choreografie dient. Drei Einschübe elektronischer Musik dienen als Übergang und akustische Vorbereitung folgender Szenen. Mit Bewegungsmeldern (präparierte Wii-Sticks sowie am PC) werden eine vokale Szene (Metamorphose) und das instrumentale Schlussstück (eine Adaption des Titelsongs aus Lady Snowblood) live-elektronisch verfremdet.

Die Bewegungselemente, aus denen sich die Choreografie zusammensetzt, beziehen sich auf Grundpositionen und Bewegungsphrasen des Kung Fu. Das Bühnenbild ist sehr sparsam aus immer wieder neu miteinander kombinierten Paravent-Elementen gestaltet. Auf schwarzen Holzsprossenrahmen ist ein halb transparenter grauer Nesselstoff gespannt. Mit Theaterscharnieren lassen sich die unterschiedlich hohen Elemente immer wieder neu zusammensetzen. Sie strukturieren den Bühnenraum ermöglichen immer wieder das Verdecken einzelner Spieler und Instrumentalisten. Sie erinnern an die Innenarchitektur traditioneller japanischer Häuser, deren verschiebbare Wände auch sprossenförmig aufgeteilt und mit hellem, halbtransparentem Stoff oder Papier bespannt sind. 

Einige der musikalischen Szenen und Stücke aus Annesley Blacks Stück Flowers of Carnage eignen sich, um sie mit SchülerInnen selbst auszuprobieren und den Prozess ihrer Entstehung nachzuvollziehen – zumal das Ausgangsmaterial vielen SchülerInnen möglicherweise vertraut ist im Zusammenhang mit dem Soundtrack von Computerspielen oder auch von Martial-Arts-Filmen.

Die hier präsentierten Übungen, Materialien und Stücke sind zum Teil von Jugendlichen in vielen Workshops gemeinsam mit der Komponistin entwickelt worden. Für den Musikunterricht oder im Rahmen eines Workshops bieten sie die Möglichkeit, in Gruppen improvisierend und komponierend zu experimentieren. Interessant ist dabei besonders die Verwendung der Soundfiles, die Annesley Black als kompositorisches Material bearbeitet und vorstrukturiert hat. Im Folgenden werden sowohl vokale als auch instrumentale Konzepte vorgestellt. Da die Erarbeitung der choreografischen Elemente sehr aufwändig ist – es bedarf einer intensiven Vorbereitung mit professionellem Kung Fu-Training, um die komplexen Bewegungsphrasen übernehmen zu können – beschränkt sich der Workshop auf zwei Konzepte, in denen einfache Bewegungselemente zur Steuerung musikalischer Prozesse eingesetzt werden.

Ziel des Workshops ist zum einen die Annäherung an die (künstlerische) Arbeit auch mit außermusikalischen Klängen und das Erkunden ihrer musikalischen Qualitäten im Sinne eines erweiterten Musikbegriffs. Zum anderen steht aber auch hier die Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Gewalt und Brutalität und ihren Darstellungsformen im Zentrum.

Schließlich dienen alle diese Aktivitäten nicht zuletzt dem Verständnis des Stückes Flowers of Carnage von Annesley Black und damit der produktiven Annäherung an zeitgenössisches Musiktheater.

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