Komponist und Werk

Biografie

Luís Antunes Pena, geboren 1973 in Lissabon, erlernte als Jugendlicher das Klavierspiel und beschäftigte sich schon früh mit Elektrotechnik sowie elektroakustischer Klangproduktion. Erste kompositorische Erfahrungen sammelte er zwischen 1989 und 1993 an der Kunstschule Estoril, bevor er 1996 ein Kompositionsstudium bei António Pinho Vargas an der Musikhochschule Lissabon aufnahm. Noch während seiner Studienzeit rief er zusammen mit Diana Ferreira und João Miguel Pais das Festival für Neue Musik Jornadas Nova Música ins Leben, das er bis 2001 gemeinsam mit ihnen leitete. Nachdem er sein Studium im Jahr 1999 mit dem Bachelor abgeschlossen hatte, siedelte er nach Deutschland über. Unterstützt durch ein Stipendium des portugiesischen Ministeriums für Wissenschaft und Technologie, setzte er dort seine Ausbildung an der Folkwang Universität der Künste in Essen fort, wo er zwischen 1999 und 2004 Komposition bei Nicolaus A. Huber sowie Elektronische Musik bei Dirk Reith und Günther Steinke studierte. Daneben nahm er zwischen 1994 und 2003 an zahlreichen Kompositionskursen (zum Beispiel den Sommerakademien des IRCAM in Paris sowie den Kompositionsseminaren der Calouste-Gulbenkian-Stiftung in Lissabon) teil, wo er unter anderem mit Luca Francesconi, Gérard Grisey, Jonathan Harvey und Emmanuel Nunes arbeitete. Von 2006 bis 2008 unterrichtete Luís Antunes Pena an der Hochschule für Musik Karlsruhe Elektronische Musik, Musikinformatik und Analyse und von 2011 bis 2016 an der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen im Studiengang Sounddesign das Fach Klanginteraktion als Komposition.
 

Er erhielt zahlreiche Kompositionsaufträge, unter anderem von der Calouste-Gulbenkian-Stiftung (Lissabon), der Casa da Música Porto, der Christoph Delz Stiftung (Basel) dem Deutschlandfunk (Köln), den Donaueschinger Musiktagen, der Ernst von Siemens Musikstiftung (München), dem Staatstheater Cottbus, dem Südwestrundfunk SWR (Baden-Baden) dem Westdeutschen Rundfunk (Köln) sowie dem Zentrum für Kunst und Medien ZKM (Karlsruhe). 

Als Gastkomponist wurde Luís Antunes Pena unter anderem zu Arbeitsaufenthalten in die Kunst-Station Sankt Peter Köln, die Villa Concordia Bamberg sowie ins schwedische Visby International Centre for Composers (VICC) eingeladen und erhielt verschiedene Förderstipendien – so unter anderem vom Experimentalstudio des SWR in Freiburg, von den Jeunesses Musicales Deutschland sowie vom ZKM in Karlsruhe. Seine Werke werden in der ganzen Welt gespielt; regelmäßige Kooperationen verbinden ihn mit Ensembles wie asamisimasa (Oslo), dem ensemble mosaik (Berlin), dem E-MEX-Ensemble (Essen), dem Remix Ensemble (Porto) sowie mit Drumming – Grupo de Percussão (Porto) und piano possibile (München). Mit dem Schlagzeuger Nuno Aroso und dem Cellisten Francesco Dillon schloss sich Luís Antunes Pena 2010 zum Trio Ruído Vermelho zusammen, das sich in komponierter und improvisierter Musik der Verbindung traditioneller Instrumente mit unkonventionellen Klangerzeugern und elektroakustischen Mitteln widmet. 

Die Werke von Luís Antunes Pena wurden mit verschiedenen Kompositionspreisen ausgezeichnet, so etwa beim Kompositionswettbewerb Óscar da Silva, beim 11. Kompositionswettbewerb des Wiener Sommerseminars für Neue Musik, beim 32. Concours International de Musique et d’Art Sonore Electroacoustiques in Bourges, beim Internationalen Kompositionswettbewerb für elektroakustische Musik des Eastman Computer Music Center ECMC in Rochester sowie beim Salvatore Martirano Composition Award in Illinois. 

Weitere Informationen: www.luisantunespena.eu

Momentaufnahmen zwischen Alltag und Kunst

Zur Ästhetik von Luís Antunes Pena

Die meiste Musik, die ein Mensch des 21. Jahrhunderts hört, dringt aus elektronischen Schallwandlern – Lautsprechern oder Kopfhörern – an seine Ohren, und zwar unabhängig davon, ob sie ursprünglich vokal, instrumental oder elektronisch erzeugt worden ist; musikalische Erfahrung ist in der modernen Lebenswelt in der Regel medial vermittelt. Dieser Sachverhalt ist grundlegend für das kompositorische Denken von Luís Antunes Pena. Die meisten seiner Werke beziehen elektronische Mittel ein – sei es mittels elektroakustischer Zuspielungen zu live gespielten instrumental-vokalen Klängen, sei es durch live-elektronische Klangtransformationen oder sei es in der Form elektroakustischer Tonbandkompositionen. 

Damit einher geht eine Weitung des musikalischen Materials: Der Einsatz von Elektronik erlaubt Luís Antunes Pena, feinste klangliche Nuancen hörbar zu machen, die ansonsten nicht wahrnehmbar wären; er ermöglicht aber auch, jenseits genuiner Orte der Musikaufführung, jenseits des Konzertsaals und des Studios akustische Momentaufnahmen einzufangen, klangliche Fragmente aus der Alltagswirklichkeit, der Natur oder dem chaotischen Rauschen der modernen Medien sowie Zitate aus klassischer und populärer Musik einzubeziehen, die vermeintlichen Grenzen zwischen Klang und Geräusch, zwischen Musik und Nicht-Musik, Kunst und Nicht-Kunst kompositorisch infrage zu stellen. 

Luís Antunes Penas Interesse für die klangliche Wirklichkeit in ihrer ganzen Fülle geht dabei zugleich mit einer großen Offenheit für intermediale Weitungen, für Anspielungen an und Bezugnahmen auf Literatur, Film, Theater, Tanz einher – so etwa in zahlreichen Werken, die choreographische oder szenische Elemente einbeziehen oder in einer Reihe von Kompositionen, die den Titel "Vermalung" tragen und mit Referenzen an Werke von Ludwig van Beethoven, Wolfang Amadeus Mozart, aber auch an einen Song von John Zorn oder den Soundtrack eines Sergio-Leone-Western spielen.

Die kompositorische Erkundung der Grenzbereiche des Klanglichen führt Luís Antunes Pena immer wieder zu enger Zusammenarbeit mit ausführenden Musikern. Für den Komponisten steht der Interpret "nicht am Ende der Kreationskette", sondern "ist mittendrin". In diesem Sinne stellt ein Werk wie "Três quadros sobre pedra" das Resultat von Antunes Penas gemeinsamen Experimentieren mit dem Schlagzeuger Nuno Aroso dar, dem beinahe die Stellung eines Mitkomponisten zukommt; und das Stück "Im Rauschen, cantabile" bringt den Kontrabassisten gerade durch die minutiöse Notationsweise gezielt in Situationen spieltechnischer Überforderung, die dann zum Einfallstor für nicht genau erfassbare Nuancen und subjektive Interpretationen der Partitur werden.

Wie die Verfransung der Medien, so dient auch die Erzeugung solcher interpretatorischer Unschärfen letztlich dazu, fragile Momente der Ungewissheit musikalisch zu artikulieren – Zustände, die der Komponist selbst als „Rauschen“ bezeichnet, wobei freilich nicht nur auf das üblicherweise als "Störgeräusch" verpönte Klangphänomen angespielt, sondern auch auf den "Rausch", den ekstatischen Zustand der Entfesselung und Entgrenzung, den Luís Antunes Penas kompositorische Arbeit wie ein geheimes Zentrum umkreist.

Weitere Informationen zu Werk und Ästhetik Luís Antunes Penas sind dem Booklet zur Porträt-CD des Komponisten zu entnehmen.

Die Werke von Luís Antunes Pena sind zum großen Teil beim Verlag sumtone erschienen. Die vor dem Jahr 2000 entstandenen Werke wurden von Luís Antunes Pena inzwischen verworfen; daher sind sie im Werkverzeichnis nicht aufgeführt.

Werke für Tasteninstrumente

  • Eyjafjallajokull (2010) für Orgel
    UA Köln 2010 (16‘)
  • KULT (2011) für Klavier und Elektronik
    UA Florenz 2011 (15‘)

Elektronische Musik

  • Sonorous Landscapes 1 und 2 (2005) für vierkanalige elektroakustische Klänge
    UA Gainesville 2005 (13‘)
  • Vermalung I – Westernmusik (2005) für vierkanalige elektroakustische Klänge
    UA Essen 2005 (15‘)
    Neufassung 2011: UA Florenz 2011
  • MUND – Musik für ein Tanz- und Theaterstück von Birgit Götz (2006) für zweikanalige elektroakustische Klänge
    UA Dortmund 2006 (50‘)
  • Vermalung II – Donny G. (2006) für achtkanalige elektroakustische Klänge und Video
    UA Aschaffenburg 2006 (23‘)
  • Três quadros sobre pedra (2008)
    Neufassung des 1. Satzes für achtkanalige elektronische Klänge (2011)
    UA Hannover 2011, (siehe auch Kammermusik)
  • Hi-Fi Noise Study – Pecking Chickens (2013) für stereofone elektroakustische Klänge
    UA Karlsruhe 2013 (5’)
  • Tracking Noise #1 (2015), Performance für Analogsynthesizer
    UA Aveiro 2016 (6‘)
  • On the Rocks – Musik für eine Tanzproduktion von Mara Tsironi (2015) für elektroakustische Klänge
    UA Köln 2015 (10‘)

 Kammermusik

  • … winterlich ruhende Erde… (2000) für Violoncello solo
    UA Essen 2002 (18‘)
  • Klangspiegel (2001) für vierteltönige Trompete, Tamtam und vierkanalige elektroakustische Klänge
    UA Aveiro 2002 (23‘)
  • Anatomia de um Poema Sonoro (2004) für Frauenstimme, männliche Sprechstimme, Saxofon, Schlagzeug, Klavier und Live-Elektronik nach Jorge de Senas «Amor» und Kurt Schwitters «An Anna Blume»
    UA Essen 2004 (12‘)
  • Echo und die unvermeidbare Natur des Übergangs (2007) für Streichquartett
    UA Kassel 2007 (12‘)
  • Vermalung III – Batman (2007) für elektronisch verstärktes Schlagzeugquartett
    UA Essen 2007 (10‘)
  • Musik in Granit – Sechs Augenblicke einer Landschaft (2007) für Querflöte, Klarinette, Fagott, 2 Schlagzeuge, Klavier, Viola, Violoncello und Kontrabass
    UA Bremen 2007 (8‘)
  • Três quadros sobre pedra (2008) für Granitsteine, Schlaginstrumente und Elektronik
    UA Porto 2010 (15’)
    Neufassung des 1. Satzes für achtkanalige elektronische Klänge (2011)
    UA Hannover 2011 
  • Fragments of Noise and Blood (2009) für Bassklarinette, Violoncello, Schlagzeug, Klavier und Elektronik
    Fragmente I–V, UA Essen 2009 (20‘)
    Fragmente I–VI, UA Berlin 2010 (23')
  • Im Rauschen Rot (2010) für Kontrabass, Schlagzeugquartett, Kontrabass und Elektronik
    UA Lissabon 2010 (20‘)
  • Im Rauschen, cantabile (2012) für Kontrabass und Elektronik
    UA Berlin 2012 (7‘)
  • Música para 30 Metais (2012) für 30 verschiedene Metallbecken und Elektronik
    UA Köln 2017 (15‘)
  • Man on Carpet (2012) für Frauenstimme, Vibrafon und elektroakustische Klänge
    UA Lissabon 2012 (3’)
  • Vermalung V – Western Music (2013) für Subkontrabassflöte, Klarinette, Schlagzeug, Tuba, E-Bass und Elektronik
    UA München 2013 (13‘)
  • Konvolut (2014) für Flöte, Klarinette, Violine, Violoncello, Klavier und Elektronik
    UA Lissabon 2015 (10’)
  • Caffeine (2015) für Bassklarinette, E-Gitarre, Schlagzeug, Klavier/Sampler, Violoncello, Untertitel und Elektronik
    UA Donaueschingen 2017 (9‘)
  • Tracking Noise #2 (2016) für zwei Schlagzeuger und Elektronik mit Schallwandler
    UA Köln 2016 (12‘)
  • Sanftanlauf (2017) für Violine, Saxofon, E-Gitarre, Posaune, Elektronik und 8 Schallwandler
    UA Sint-Niklaas 2017 (10')

Werke für Ensemble

  • RAU (2013)
    UA Porto 2013 (10‘)
  • Nomás (2015)
    UA Donaueschingen 2015 (16‘)

Instrumentalmusik/Elektronik mit Tanz

  • I X Herculean (2010) für Violoncello, Schlagzeug, Tanz, Szene und Elektronik
    UA Karlsruhe 2010 (60‘)
  • Lied vom Staub (mit Jana Griess) (2014) für Tanz, vier Metallplatten, vierzehn Schallwandler und Elektronik
    UA Köln 2014 (25‘)
  • Resonant Bodies (mit Jana Griess) (2016) für Tanz, 15 Megafone und Elektronik
    UA Köln 2016 (25‘) 

Orchesterwerke

  • Vermalung IV – Ludwig v. (2007)
    UA Berlin 2007 (4‘) 
  • In Hyperventilation (2011)
    UA Cottbus 2011 (5‘)
  • 1441 (2014)
    UA Cottbus 2014 (10‘)
  • Acceleration (2014)
    UA Cottbus 2014 (4‘)
  • Off-Balance (2017) für Orchester und 2 Schlagzeuge
    UA Lissabon 2017 (15‘)

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