Der langsame Fall des Winterreisenden: Schuberts Melodik in "Gute Nacht"

Die Eröffnungsmelodie des ersten Liedes des Zyklus scheint die desolate Situation des "Winterreisenden" direkt einzufangen: eine Melodie, deren erster Ton der höchste bleibt, die somit ohne vorbereiteten Höhepunkt sich als langgezogene weit hinabreichende Seufzerkurve darstellt. Der Höhepunkt der Geschichte des Winterreisenden ist Vergangenheit – wie die positiven Folgeverse in Dur und mit traditionellem Melodieverlauf berichten: Quartauftakt, schreitende Tonrepetitionen und Aufschwung bis zur Oktav und weiter. Schubert vertauscht die Reihenfolge: In der Strophenmitte erklingt der "normale" Melodiebogen, zu Beginn jedoch eine Melodie, die den Fall nach dem Höhepunkt vorwegnimmt. Die Beschäftigung mit Schubert begann mit dem Singen des Liedes "Der Lindenbaum". Daran schloss sich eine kurze Einführung in die Geschichte des Winterreisenden an.

Um die zentrale Besonderheit der melodischen Faktur des Eingangsliedes zum intensiven Erlebnis werden zu lassen, folgte eine Einführung ins tonale Melodieschreiben. (Vergl. Arbeitsbl. 7: Anleitung zum Schreiben einer tonalen Liedmelodie). Danach sollen die Schülerinnen und Schüler die beiden zentralen Verspaare der ersten Strophe selber vertonen.

Diese Schritte bildeten die Grundlage für die Auseinandersetzung mit Schuberts Melodie auf dem Hintergrund des Textinhalts.

Als kreativer Transfer bietet sich eine eigene Gestaltung ausgehend von Schubertschen Motiven an. Diese Idee geht zurück auf die aphoristisch verknappten und auch für den Musikunterricht sehr wertvollen Bruchstücke zur Winterreise von Friedhelm Döhl.

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